KUNSTGESPRAECH

TEXTE: REZENSIONEN

documenta (13): Confusion

Pressekonferenz mit Geschäftsführer Bernd Leifeld, Kasseler Oberbürgermeister Bertram Hilgen, Ministerin für Wissenschaft und Kunst Eva Kühne-Hörmann und Documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev


Presseempfang documenta (KK)Nach einer Performance - Ceal Floyer, Nail Biting Performance - und den Grußworten kündigt Carolyn Christov-Bakargiev ihre "lecture" an ("kindly relax"). Sie bittet die Fotografen um eine Fotopause und beginnt den Vortrag. Später wird ihr Vortrag als zu abgehoben, zu "universitär" kritisiert werden. Die Fragen aus dem Publikum später werden deutlich machen, dass sie sich oft von der Presse missverstanden fühlt. Vielleicht kommt sie bei ihrem Vortrag aber einfach nicht auf den Punkt. Denn alles was sie sagt, klingt richtig und gut. Es könnte aber auch eine Platitüde sein. Wir hören ihre Gedanken jedenfalls nicht vollständig, denn mitten darin, beginnt sie zu kürzen und legt ein Dutzend DIN-A4-Seiten ungelesen beiseite - jede mit dem Wort "skip" (überspringen). Das bringt ihr Lacher und Beifall.

Bei einigen Themen bricht ihre Leidenschaft, die man die ganze Zeit über spürt, ungebremst hervor: "Confusion is healthy and wonderful." (Verwirrung ist gesund und wunderbar.), antwortet sie auf eine bissige Frage aus dem Publikum. Auch bei der Beschreibung ihrer Kasseler Erlebnisse wirkt sie begeistert: Sie spricht von den vielen Schichten der Vergangenheit, die in Kassel vorhanden seien, "man müsse nur an der Oberfläche kratzen". Sie erwähnt die wöchentliche Reinigung des Brunnens vor dem Rathaus von Horst Hoheisel, die sie mitmachte. Sie scheint fasziniert von diesen Momenten, wo große Geschichte und lokale exemplarische Geschichte, Kunst und Alltag aufeinander treffen. Sie erwähnt auch die wechselvolle Geschichte der Gedenkstätte Breitenau, vom Benediktinerkloster zur Euthanasieanstalt und in den 1950er Jahren Mädchenerziehungsheim (bekannt auch von Ulrike Meinhoffs Film "Bambule").

Ein ähnlich ganzheitlich denkender Ansatz kennzeichnet auch die documenta-Konzeption: bereits seit langem vergangene, kürzlich vergangene und aktuelle Kunstproduktion fließen ineinander, Alltagsdinge und Kunst. Das wird nicht nur von einzelnen Künstlern vollzogen, sondern auch auf kuratorischer Ebene, z.B. mit der Sektion "Brain" in der Rotunde des Fridericianums. Aus dem Publikum kommt in der Pressekonferenz die Frage, ob sie einen schamanischen Ansatz verfolge? Wer weiß. Sie sagt: "I have no concept."

Zum abendlichen Presseempfang erleben wir ein Musikkonzert, das Christov-Bakargievs Ansatz nahe kommt: Zuerst erklingen wunderschöne, ethnische Glocken und Trommeln von einigen Musikern, die links und rechts auf den Balkonen des Rathauses stehen. Auch das Wetter spielt mit, und die abendliche Sonne taucht die Architektur in ein märchenhaftes Licht. Die Musiker kommunizieren von links nach rechts, lassen die Musik räumlich werden. Nach langer Zeit kommt eine Blaskapelle um die Ecke - Karneval, Dorfmärsche: jedenfalls ganz andere Töne. Sie laufen zum Rathaus, teilen sich ebenfalls in zwei Gruppen, kommunizieren miteinander und dann mit den Balkonmusikern. Hier treffen Gegensätze aufeinander und verbinden sich.

Presseempfang(KK)Presseempfang der Stadt Kassel und des Presseclubs Kassel 6.6.12, 19.51 - 20.25: LoopMusic von Olaf Pyras für Plattenglocken, Trommeln, Glaraphon, Bassröhre und einen Fanfarenzug, aufgeführt vom SchlagzeugEnsemble der Universität Kassel unter der Leitung von Olaf Pyras und dem Fanfarenzug Drum & Brass Kassel 1967 unter der Leitung von Alfred Otto

 

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