KUNSTGESPRAECH

TEXTE: REZENSIONEN

documenta (13): Erleuchtung

Wittgenstein Goes Classic (Performance): Wittgenstein Compositions, M.A. Numminen (Kompositionen, Gesang), Mia Huhta (Sopran), Quintet Defunensemble, 07.06.2012, 18.00


M.A. Numminen vertonte in den 1960er Jahren Ludwig Wittgensteins philosophische Abhandlung "Tractatus Logico-Philosophicus" als Rocksongs. Die trägt er einmalig vor. Denn es ist seine Stimme und seiner Person, die diese Mischung aus absurd und genial trägt. In einem 20 Jahre alten Musikvideo interpretiert der noch jüngere Numminen den Text noch mit Bewegungen: In einem gestreiften Schlafanzug hockt er im bläulichen Licht und stützt sich hinten mit den Armen ab. Abwechselnd schwingt er sein linkes und rechtes Bein munter in die Höhe oder beide; oder er tanzt ... Gelenkig, rhythmisch und schön anzusehen und sehr eigen und absurd. Und immer auf dem Punkt. Es ist seine Mischung aus Bescheidenheit, Ruhe, Gelassenheit, Selbstbewusstsein, die seinen Humor so macht, wie er ist.

"The film-director was my wife.", sagt er trocken zu seinem Video. Das übrigens sehr finnisch ist. Wie der ganze Mann finnisch ist. Der Humor, die Art, sich auf kaum merkliche Weise ausschweifend zu geben mit dem Touch dieser verhaltenen Form der finnischen sexuellen Ausstrahlung und Männlichkeit. 

Der erste Teil des Konzerts mit Wittgenstein-Kompositionen ist klassisch und wird von der Sopranistin Mia Huhta und dem Quintet Defunensemble vorgetragen. Der Gesichtsausdruck Mia Huhtas, ja, ihre gesamte hoch-konzentrierte Haltung ist das I-Tüpfelchen auf ihren Gesang. Sie macht mit jeder Körperfaser deutlich, wie ernst und wichtig jeder Ton ist, wie dramatisch das ganze Unterfangen.

Numminen spricht deutsch und englisch. Er bemüht sich um möglichst viel deutschen Originaltext Wittgensteins, denn es könne ja sein, "einer aus dem Publikum würde erleuchtet". Wie er selbst bedauert, vertonte  er damals, als er Philosphie studierte und  "noch jung und dumm war" und eine Rockband  hatte, die englische Übersetzung. Dabei sei  der deutsche Wittgenstein-Text viel präziser. Er erzählt, dass seine Wittgenstein-Vertonungen erst nach etwa 20 Jahren, nämlich  1988, auf einem Philosophischen Kongress in  Stockholm von der breiten Öffentlichkeit  wahrgenommen wurden. Bekannt war er da schon mit anderen interessanten Projekten geworden.

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