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Lara protects me. Eine georgische Erzählung, Museum Angewandte Kunst Frankfurt, 21.09.2018 - 20.01.2019

Mythen, 19.09.2018, Frankfurt

Da steht eine bekleidete Figur im Raum und bewegt sich dank eines Motors langsam vor und zurück. Die Figur trägt einen engen schwarzen Rock, eine außergewöhnlich gestaltete pastellfarbene Stepp-Jacke und dazu Kopfbedeckung - eine georgische Nomadin von heute? Tamuna Karumidze, die Schöpferin dieser Kleidung und Figur, fotografiert minutenlang ihr etwa gleich großes mechanisches Model. Später pflückt sie eine sehr kleine Spinne aus meinen Haaren, um sie nach draußen zu setzen. Tamuna trägt von ihr gestalteten Schmuck am Arm. Sie kann perfekt deutsch, hat in Berlin an der Kunsthochschule Audiovisuelle Medien studiert, ist vor einigen Jahren in ihre Geburtsstadt Tbilisi zurück gegangen. Es ist schwer dort zu leben, sagt sie zu mir, aber wichtig und für sie als Georgierin das Richtige. Tamuna schneidet noch Videos für Freunde oder als Job. Ein Video von ihr und Freunden über die Skateboardcommunity gewann internationale Preise. Die Gestaltung von Kleidung und Schmuck ist aber für sie immer wichtiger geworden. Sie hätte zuerst die Kleidung für sich selbst gestaltet. Freunde hätten sie sehr ermutigt. Die Gestaltung nahm ihren Lauf. Sie kreierte bis heute zwei neue Marken: Tamra und Tamra Skateboards: "Wearing her designs, Tbilisi's Skate community transforms into a gang of free-spirited flying nomads", schreibt Anastasija Fedorova (1).

Die Suche nach der georgischen Identität ist ein Motor der zeitgenössischen Kunstbewegung. "For most people, Georgia is a cultural terra incognita, defined almost solely by its Soviet history", schreibt Fedorova (2). Die georgische Künstlerin und Leiterin der georgischen Kunsthochschule Irena Popiashvili bekommt das Angebot mit dem georgischen Designer Irakli Rusadze bei einer Modenschau in Paris zusammen zu arbeiten. Sie erzählt: "I imagined those obligatory small talk conservations that every Georgian has to go through when we meet new people - 'Oh, you're from Georgia. Georgia as in Russia.' - 'No as in, ex-Soviet republic, not Russia.'" Für die Modenschau schrieb sie dehalb in der eigenen georgischen Sprache mit dem georgischen Alphabet auf die Kleidung der Models. (3) Popiashvili beschreibt die Veränderungen der Kunstszene Georgiens: "Only four years ago, I was describing the landscape of the art scene in Georgia as 'flat'. By that I meant that there was no difference as to wether the artists was showing at a museum, in a gallery, or displaying their work at Dry Bridge (a market) I thad no effect on the critical value of the artist's work. The results were always the same. The same people went to the openings, which TV crews came to film. But wihtin last two years there have been a lot of changes: New galleries have opened that showcase young and experimental art. New organizations and initiatives have emerged. New institutions have opened their doors - like Kunsthalle Tbilisi, Tbilisi Art Fair etc." (4) Die Künstler finden ihre Inspirationen viel aus dem Internet. "The generation of my students are choosing their cultural and visual references through the internet. Their visual education happens via the internet, via computer screens. Accessing information beyond our borders in a way of discovering other ways of doing things. For them, everything is avaliable at once, on the screen, with no tempral evolution made accessible through art history", beschreibt Popiashvili (4).

Die kleine und kompakte Ausstellung im MAK vermittelt gut diesen Aufbruch und Wandel. Skateboards, Mode - das inzwischen international bekannte Label Situationist, Kunst - zum Beispiel die Patara Gallery im Nachbau, Sound - alles fließt. "Elektronische Musik spielt in Georgiens Hauptstadt eine wichtige Rolle", heißt es zur Ausstellung. Der Soundkünstler und Musiker Irakli Kiziria hat eine Klanglandschaft aus Sound der Metropole gestaltet, die das freie, fließende und drängende Gefühl verstärkt, das uns in dieser Ausstellung vermittelt wird. Die Ausstellung beginnt mit einem Video von Wato Tsereteli, Leiter des CCA (Center for Contemporary Art), der die wunderbare und unglaubliche Landschaft Georgiens zeigt.

Wir westlichen Touristen sind fasziniert von dem Märchen Georgien. Und Georgien hat seine Einreisebedingungen gelockert und wartet auf uns. Das ist eigentlich die notwendige Angleichung zwischen West und Ost, Arm und Reich - "Kunsthalle Tbilisi aims to showcase local artists within the context of the international art scene.", erklärt Irena Popiashvili und beschreibt damit die Motivation der georgischen Künstlerinnen und Künstler (5). Für die Kuratorin, Dr. Mahret Ifeoma Kupka, ist diese Ausstellung kein rein wirtschaftliches Ziel. Die Reisen nach Georgien haben ihr bei Findung ihres Selbst geholfen, wie sie in ihrem sehr schön geschriebenen und persönlich gehaltenen Katalogbeitrag über ihren ersten Aufenthalt in Tbilisi 2016 beschreibt, der eine offizielle Einladung und organisierte Reise für eine Delegation der Stadt Frankfurt am Main war: "During the day, one encounter followed another. In the evening, I got to know (and love) the magnificent Georgian cuisine and wine. At night, I cried into may pillow. My portentous dreams I promptly forgt first thing in the morning. And when I didn't sleep, I heard the walls speaking to me." (6) 2017 kommt sie noch einmal für längere Zeit nach Georgien und 2018 zur Vorbereitung der Ausstellung. Danach schreibt sie: "Yet, I am still an outsider. Georgia is not my country of origin, not my homeland, although I have felt so at home here." (6)

Mahret Kupkas Katalogtext spricht von tief empfundenen Gefühlen. Hier beschreibt sie auch das Konzept der Ausstellung, das einen mysteriösen Zettel in den Vordergrund stellt mit dieser Notiz: "My heart goes with them to protect you. Love you. Lara". Den Zettel hätte Kupka am Morgen neben ihrem Bett gefunden, und er hätte bestimmt am Abend noch nicht da gelegen. Ob dieser Zettel tatsächlich so materiell von Kupka gefunden wurde oder symbolisch ein Ereignis der Gefühlswelt umfasst, oder ob er der Versuch eines kuratorischen Kniffs ist, bleibt für mich nicht fassbar. Persönlich spricht Kupka lockerer über diesen Zettel als sie in ihrem Text schreibt, macht sogar Witze darüber. Die Ausstellung ist für Lara, sagt Mahret Kupka. Sie habe Lara gesucht, aber nicht gefunden. Es hätte ihr aber viele Gespräche mit Menschen aus Georgien ermöglicht, dass sie Lara gesucht habe.

Diese Ausstellung ist von Sehnsucht, Liebe und Hoffnung getragen: die georgischen Künstlerinnen und Künstlern aus Georgien und Deutschland sehnen sich nach Anerkennung und Erfolg, die Georgier insgesamt nach Freiheit, die Kuratorin Mahret Kupka nach etwas, was sie kaum benennen kann, vielleicht nach einer Heimat. Wir sehen ein Märchen - mythisch auf der einen Seite und getragen vonwirtschaftlichen Belangen auf der anderen Seite, wie das oft in unserer jüngeren Geschichte ist und vielleicht schon immer in der Weltgeschichte der Fall war.

Ausstellung

Museum Angewandte Kunst Frankfurt: Lara protects me. Eine georgische Erzählung.

Modelabel Situationist von Irakli Rusadze, das mit Kunstszene verflochten ist, so mit dem Künstler Giorgi Geladze und dem Fotograf David Meskhi
Modelabel Tamra von Tamuna Karumidze, Kollektion Dreamcatchers (georgische Skateboarder-Szene), von ihr ist ein international preisgekrönter Dokumentarfilm "When the Earth Seems to be Light" (Gemeinschaftsproduktion mit David Meskhi und Salome Machaidze) über die Skateboard-Szene
Diana Oganova, Fotografin
Salome Jokhadzes, Grafiken
Tamar Chaduneli und Ana Chaduneli, Aquarelle, Tamar studiert seit 2017 an der Städelschule bei Willem de Rooij
Modell der Patara Gallery
Irakli Kiziria Musiksound
Wato Tsereteli

Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt am Main
Di, Do-So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr

Podiumsdiskussion
Do, 8.11., 19 Uhr
Post-Soviet Liefestyles? Kunst, Mode, Musik, Architektur und Design aus dem jungen Georgien.

Führungen mit der Kuratorin:
Mi, 26.9. und 7.11., 18:30 Uhr, So, 20.1., 15 Uhr

(1) Anastasija Fedorova: "I can imagine that most of Western creative practitioners think of Georgia as the cultural periphery. But in an era where the notions of center and periphery are in flux, it's the off-grid destinations that often produce the most interesting cases of contemporary hybrid identity. ... Tamuna Karumidze, the artist and designer behind the label Tamra, has created her own legend of a futuristic nomadic tribe. Tamra's signature pieces are hand-made coats that are a patchwork of the most beautiful, strange, and exquisite textures and colors. Inspired by Mongolian nomadic tribes, eagle-hunters, and falconers, Karumdze hat the idea to merge meticulous craft and free-flowing motion. Wearing her designs, Tbilisi's Skate community transforms into a gang of free-spirited flying nomads." (Anastasija Fedorova, writer, curator, and cultural critic bades in London, in: Lara protects me, Katalog, S. 28)

(2) "For most people, Georgia is a culutral terra incognita, defined almost solely by its Soviet history. For some, like Situationist's designer Irakli Rusadze or photographer Grigor Devijiev, the narrative and aesthetics of combining recent history with the raw unfashioned backdrop of contemporary Tbilisi come naturally. But there are also plenty of Georgian creatives who shoose to work from a place of complete reinvention. In the last couple of years, George Keburia may have been the most frequently mentioned Georgian designer by the international media - and all thanks to a sleek pair of sunglasses. The narrow, angular glasses - a futuristic take on the classic cat-eye design - became a sudden hit among A-list celebreities like Beyoncé, Solange, Kylie Jenner, and Gigi Hadid. The glasses perfectly reflect the essence of Keburia's design: it is polished and feminine, but somehow slithtly detached from reality, a bit off, with synthetic untertones of '80s sci-fi. It's too strange to be pretty, and yet endlessly alluring and instantly recognizable. Keburia's work doesn't immediately appear Georgian, although his love for dramatic taloring might."(Anastasija Fedorova, writer, curator, and cultural critic bades in London, in: Lara protects me, Katalog, S. 27)

(3) Irena Popiashvili, dean of the Visual Arts, Architecture and Design School (VA[A]DS = Visual Arts & Architecture & Design School) at the Free University in Tbilisi, curator, Katalog, S. 57

(4) "Only four years ago, I was describing the landscape of the art scene in Georgia as 'flat'. By that I meant that there was no difference as to wether the artist was showing at a museum, in a gallery, or displaying their work at Dry Bridge (Dry bridge is a market that is open on a daily basis in Tbilisi where art dealers and artists exhibit and trade in their work.) I thad no effect on the critical value of the artist's work. The results were always the same. The same people went to the openings, which TV crews came to film. But wihtin last two years there have been a lot of changes: New galleries have opened that showcase young and experimental art. New organizations and initiatives have emerged. New institutions have opened their doors - like Kunsthalle Tbilisi, Tbilisi Art Fair etc." (Irena Popiashvili, dean of the Visual Arts, Architecture and Design School (VA[A]DS = Visual Arts & Architecture & Design School) at the Free University in Tbilisi, curator), S. 57
"The generation of my students are choosing their cultural and visual references through the internet. Their visual education happens via the internet, via computer screens. Accessing information beyond our borders in a way of discovering other ways of doing things. For them, everything is avaliable at once, on the screen, with no tempral evolution made accessible through art history.", S. 58

(5) "I used the European Kunsthalle as a model. ... We dicides to name it Kunsthalle as it felates to contemprary art in the context in which it is understood in the West. Kunsthalle Tbilisi aims to showcase local artists within the context of the international art scene." Irena Popiashvili, dean of the Visual Arts, Architecture and Design School (VA[A]DS = Visual Arts & Architecture & Design School) at the Free University in Tbilisi, curator, Katalog, S. 57

(6) "During the day, one encounter followed another. In the evening, I got to know (and love) the magnificent Georgian cuisine and wine. At night, I cried into may pillow. My portentous dreams I promptly forgt first thing in the morning. And when I didn't sleep, I heard the walls speaking to me." (Dr. Mahret Ifeoma Kupka, Kuratorin der Ausstellung im MuseumAngewandteKunst, Katalog, S. 14 und S. 17)

Lara protects me. A Georgian Story, hrsg. v. Mahret Ifeoma Kupka und Matthias Wagner K, Museum Angewandte Kunst, Frankfurt/Main 2018

 


Tamuna Karumidze fotografiert ihr maschinell bewegtes Model mit der von ihr gestalteten Kleidung (Modelabel Tamra), Hauptraum der Ausstellung "Lara protects me" des museumangewandtekunst Frankfurt am Main, Videoclip (18 Sek.) von Kirsten Kötter

Tamuna Karumidze fotografiert ihr maschinell bewegtes Model mit der von ihr gestalteten Kleidung (Modelabel Tamra), Hauptraum der Ausstellung Lara protects me des museumangewandtekunst Frankfurt am Main, Foto von Kirsten Kötter

Tamuna Karumidze fotografiert ihr maschinell bewegtes Model mit der von ihr gestalteten Kleidung (Modelabel Tamra), Hauptraum der Ausstellung "Lara protects me" des museumangewandtekunst Frankfurt am Main, Foto von Kirsten Kötter

Video von Wato Tsereteli, Ausstellung des museumangewandtekunst Frankfurt am Main, Foto von Kirsten Kötter

Video von Wato Tsereteli, Ausstellung des museumangewandtekunst Frankfurt am Main, Foto von Kirsten Kötter